Tash-Horseexperience
Spencer und ich beim Clickertraining. Wir üben das Anstupsen des Targets.
Training mit alternativen Ansätzen

Von etwas weniger Egoismus und etwas mehr Einfühlsamkeit

Ich mag ja in der „Pferdeszene“ ein sehr, sehr alternatives Kerlchen sein. Ich mache es seit einigen Monaten nur noch „von unten“, bei mir „clickt“ es des öfteren und so Mancher in meiner Umgebung nennt mich Kräuterhexe oder Tüddeltante.

Ich bin anders. Anders als ein „Reiter“ sein sollte. Anders, als mich die Welt sehen will. Weder bin ich dominant, noch erwarte ich von meinen Pferden, mir immer genau aufs Wort zu gehorchen. Und, oh du Weltwunder, ich weiche meinem Pferd sogar manchmal und lasse ihm den Vortritt.

Jaja, ich kann euer Raunen schon hören 😉 Die tanzen mir auf der Nase rum? Wozu hab Herrn Pony, wenn ich ihn nicht reite? Was will ich mit einem Shettyhengst?

Einfühlsamkeit

Schuld ist meine Einfühlsamkeit. 

Dabei hat es sogar einen Grund, warum ich den Herrn derzeit nicht reite. Und zwar ist er im Rücken sehr empfindlich, ist nicht richtig stabil, hat immer hier und da Blockaden oder eben verhärtete Muskeln. Deswegen liegt mein Hauptaugenmerk eben nicht auf meinen Bedürfnissen, sondern auf seinen.
Wie könnte ich ein Pferd reiten, wenn ich weiß, dass ihm das Unwohlsein oder Schmerzen bereitet? Mein Pferd ist nicht einfach nur ein Tier, das eben mir gehört und über welches ich verfügen kann. Mein Pferd ist ein Freund, dessen Bedürfnisse mindestens ebenso wichtig sind, wie meine. Er hat ebenso das Recht, ernst genommen und beachtet zu werden.

Dass er mir seine Probleme und Bedürfnisse mitteilt wiederum erfüllt mich mit Freude. Wie schlimm wäre es, wenn er sich mir hilflos ergeben und still leiden würde? Dann doch lieber ein Pferd, das nicht immer „funktioniert“, sondern klar darstellt, was Sache ist.

 

Zwischen den Zeilen lesen

Im Zusammenhang versuche ich immer mehr, zwischen den Zeilen zu lesen. Wer sich wirklich mit seinen Pferden beschäftigt, sollte darum wissen, dass deren Leben sich nicht nur um Rangordnung, Fortpflanzung und Überleben dreht, sondern ebenso um ein harmonisches Zusammenleben mit und in der Umgebung. Marlitt Wendt hat hierzu einen schönen Artikel verfasst.

Wieso also ist immer noch die Meinung verbreitet, wir müssten unsere Pferde dominieren und ihnen zeigen, wer das Sagen hat? Warum ist es so dermaßen schwer verständlich für „Pferdemenschen“, dass man, wie in meinem Fall, auf ein faires Geben und Nehmen setzt und sein Pferd fragt, ob es
denn einverstanden ist mit dem Training, dem Umgang oder der Vorgehensweise?

Jepp, ich will wirklich, dass mein Pferd gerne mit mir zusammen ist. Es ist mir wichtig, dass Herr Pony mit der „Arbeit“ einverstanden ist. Ich frage, ob es in Ordnung ist, dass ich ihn berühre und respektiere es, wenn er nein sagt. Ich frage ihn sogar, ob ich auf seinen Rücken darf, krass oder? Der hat mich voll in der Hand, gell?

Spencer, alias „sinnfreier, Geld fressender Shettyhengst“ hat mir vor zwei Tagen ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Und zwar hat er sich aus freien Stücken von Herrn Pony (welcher auf der Weide stand) entfernt, um bei mir im Stall zu sein. Warum das so besonders ist? Weil der Kleine eben freiwillig und gerne bei mir sein will. Weil er mir damit sein Vertrauen schenkt und mir zeigt, dass er sich wohl fühlt mit mir. Und das, obwohl er sehr auf Herrn Pony fixiert ist und ihn eigentlich ungern außer Reichweite weiß.

 

Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Fairness

So etwas erreicht man nicht mit Dominanz oder hartem Training. Das erreicht man mit Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Fairness. Glaubt mir, ein Pferd, das gerne mit euch ist, arbeitet viel lieber gemeinsam mit oder für euch. Das sollte euch mit Stolz erfüllen, nicht ein „heute habe ich mich durchgesetzt“ oder „ich hab ihm gezeigt, wer der Chef ist“.

Das Leben sollte generell mehr aus geben und nehmen bestehen. Ich wünsche mir etwas weniger Egoismus und etwas mehr Einfühlsamkeit in dieser Welt. Ist aber grad kein Flaschengeist in der Nähe, der mir diesen Wunsch erfüllen könnte.

Also bleibt nur, weiter an mir und meiner Weitsichtigkeit zu arbeiten und zu hoffen, dass dies viele, viele Pferdemenschen ebenso machen.

Hier noch ein Lesetipp: „Körpersprache“ von Fair Riding Corp

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2 Comments

  • Reply
    Beagle Tibi
    at

    Deinen Post sollten viele Pferdebestzer lesen.
    Ich finde es richtig, ein Tier erst gesund werden lassen, bevor es wieder geritten wird. So sollte es immer sein. Du kannst ja mit Rücken auch keine Sandsäcke schleppen.
    Liebe Grüsse von Sylvia
    Wuff von Tibi ,
    die jetzt neue zeitweilige Nachbarn bekommt und sich dann nicht mehr an den Zaun traut.

  • Reply
    Blinde Simulantin
    at

    Es ist in der Pferdeszene wie in der Hundeszene , es gibt solche und solche und noch ganz andere .
    Ich gehör gern zu den ganz anderen.
    Reiten steht nicht an erster Stelle
    L.g.Anja

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