Heute will ich euch etwas Besonderes zeigen. Ich beschäftige mich ja schon länger mit dem Verhalten von Pferden, auch Fehlprägungen, oder eben Defiziten im Sammeln von Erfahrungen des pferdigen Miteinanders. Dazu habe ich Herrn Ponys Werdegang bei mir dokumentiert.
Hier also das Werk, bin gespannt auf eure Reaktionen 🙂 Wenn ihr Fragen habt, wie immer, her damit!
Defizite im Sozialverhalten?
Vor sieben Jahren kaufte ich Shadow 7jährig bei einer Händlerin. Er wurde als herdenverträglich angepriesen, war auf den Fotos in einem sehr guten Zustand zu sehen und in allen Gangarten geritten, sowie gefahren. Als ich zum Besichtigungstermin eintraf, wurde mir ein ausgemergeltes, dünnes Pony vorgeführt. In weiteren Gesprächen stellte sich heraus, dass er seit 6 Monaten unter dem Sattel war und vor ebenso etwa 6 Monaten gelegt wurde.
Hier eines der Fotos der Verkaufsanzeige. Wie man sieht in gutem Futterzustand mit glänzendem Fell und der Beschreibung entsprechend gut zu mir und ins Stallkonzept passend (Herdenhaltung auf der Weide mit Einzelboxen).
Hier nicht ganz der Anzeige entsprechend, das tatsächliche Bild des Ponys. Warum auch immer, habe ich ihn dennoch gekauft und eine Woche später abgeholt. Ein schmales Pony kann man auffüttern, das sollte kein Problem darstellen.
Shadow und die Pferde
Da ich wusste, dass er Herden verträglich war, wurde er am nächsten Tag in die Gruppe eingegliedert. Zu aller Verwunderung war er mit der Situation sehr überfordert und klebte sich sofort an die Seite des größten Wallachs der Gruppe und (mit totalem Körperkontakt, so konnte er weder von dem beklebten Pferd selbst, noch von anderen aus der Gruppe angegriffen werden, da diese sonst den eigenen Freund verletzen würden). In den nächsten Tagen stand Shadow abseits von den anderen und machte nur ab und an Versuche, einen der ranghöheren Tiere anzugreifen. Nach und nach gewann er jeden Kampf und separierte sämtliche Stuten von den Wallachen. Die Wallache wurden ins letzte Eck der Weide verbannt, die Stuten wurden umkreist, getrieben und gedeckt. Niemals aber sah man Shadow bei irgendwelchen sozialen Tätigkeiten, wie Fellchenkraulen oder Ähnlichem.
Das sich darstellende Schauspiel wurde von den anderen Pferdebesitzern nicht lange geduldet, so wurde entschieden, dass Shadow aus der Gruppe genommen und wieder Ruhe einkehren musste. Damit er nicht ganz alleine war, wurde er vorübergehend nahe am Hof, wo immer Menschen, Ziegen und Hunde anwesend waren, auf einer kleinen Weide gehalten. Irritierend in der Beobachtung war, dass er nicht zu wissen schien, dass man außer Grashalmen auch Kräuter wie Löwenzahn fressen konnte. Damit er nicht ständig alleine war, verbrachte ich viel Zeit bei ihm auf der Weide und damit, ihn zu beobachten. Da unser Haflinger eine Umstellung auf karge Weiden benötigte, schien die Zusammenführung der beiden als ideale Gelegenheit, die Einzelhaltung des Ponys zu beenden und gleichzeitig den Haflinger in seiner Genesung zu unterstützen.
Diesmal aber sollte die Zusammenführung sehr langsam, vorab unter Absperrbändern, stattfinden. War der Haflinger anfangs eher desinteressiert, konnte man an Shadows Mimik den Blick eines neugierigen Fohlens entdecken, das unbedingt von der Nähe des Artgenossen angezogen wurde. So steckte er die Nase unter dem Zaun durch, um den Haflinger mit der Nase erreichen zu können und direkt neben ihm zu grasen. Bei späterer Zusammenführung zeigte sich, dass Shadow tatsächlich große Defizite an sozialen Verhaltensweisen aufwies und (eben wie ein Fohlen) großen Bedarf an Lauf- und Kampfspielen hatte, diese Kampfszenen aber nie aggressiven Charakter haben.
Hier im Spiel mit dem Hafi
beim häufig gezeigten Laufen
Flehmen, immer Bestandteil der Untersuchung fremden Kots oder Urins.
Immer wird folgend mit Eigenurin markiert.
Verletzungen trägt der Haflinger nie davon, beide scheinen von der Zusammenführung zu profitieren.
Um Shadow weiter in seinem sozialen Umgang zu fördern, wird der Gruppe zusätzlich ein einjähriger Mini-Shetty Hengst zugefügt und Shadow gemeinsam mit diesem in einen Offenstall umgestellt. Hier wird eine ungenutzte „Waschhütte“ umfunktioniert. So kann er lernen, eine soziale Struktur zu bilden und gleichzeitig seinen Spieltrieb ausüben, welcher ihm ebenfalls helfen soll, seine Sozialisierungsdefizite aufzuarbeiten. Gleichzeitig war dies eine sehr gute Möglichkeit, sein Immunsystem, welches durch den andauernden Stress und das instabile Umfeld des letzten Jahres in Mitleidenschaft gezogen war, zu stärken. Zum Offenstall selbst noch ein paar Informationen: Wichtig dabei ist es, dass die Box groß genug ist, um sich gegenseitig ggf. auch aus dem Weg gehen zu können und die Möglichkeit von zwei Futterplätzen gegeben ist, um Stress und Streitigkeiten zu vermeiden. Die umgebaute Hütte, verfügt über ein Betonfundament mit mittigem Abfluss, so kann Urin usw. abfließen. Die Hütte ist auf drei Seiten geschlossen, wird auf der offenen Seite halbseitig mit einem Windnetz abgedeckt, so ist das Sichtfeld der Pferde nicht eingeschränkt, der Raum aber vor Luftzug geschützt. Die andere Hälfte der offenen Seite wird mit Plastiklamellen behangen und ist somit groß genug, dass auch zwei Pferde passieren können. Auf der Rückseite befindet sich ein geschlossenes Fenster, um genug Lichteinfall zu gewährleisten. Aussen wurde die Hütte zusätzlich mit Holzspanten bekleidet, um Öffnungen zwischen den Holzlatten zu schließen und ein Eindringen von Wasser zu verhindern. Innen wurden erst Plastikplanen, dann Styroporplatten eingesetzt, anschließend angebrachte Holzplatten wurden als Innenwände verwendet, um glatte Flächen zu gewährleisten und Verletzungen zu verhindern. Ein tief gesetztes Tränkebecken wurde angebracht (damit auch das Minipony ungehindert trinken kann) Der Offenstallbereich gesamt hat etwa 200 qm, die Box verfügt über 16 qm, der gesamte Bereich ist mit einem Holzzaun eingefasst. Daran angrenzend befindet sich eine Graskoppel, sowie für Schlechtwetter ein Sandpaddock.
Hier gut sichtbar – der große Eingangsbereich.
und hier ein Teil des Auslaufs vor der Box.
Genauer hab ich euch die Ponyresidenz hier gezeigt.
Zur Weidezeit wird der Offenstallbereich abgesperrt, da die beiden Bewohner gemeinsam mit dem Haflinger auf die Weide gehen, dieser aber den Offenstallbereich nicht benutzen soll, da dieser für drei Pferde einfach zu klein ist, und gerade in der Box dann ein Ausweichen schwierig werden könnte.
Haflinger Raudy, Shadow und der Mini-Hengst Kaiser Franz Josef.
Auch wichtig zu erwähnen ist, dass es im Fall des Herrn Pony (derzeit noch) wichtig ist, dass die Abstände zu anderen Pferden bzw. Herden groß genug ist, um wiederum Stress zu vermeiden, da er nach wie vor dazu neigt, diese angreifen zu wollen und ein Zusammentreffen mit Verletzungen auf beiden Seiten enden könnte, was natürlich nicht erwünscht und wenig förderlich für seine Fortschritte wäre.
Sein Hengstverhalten betreffend, wurde er positiv auf Testosteron im Körper untersucht. Der behandelnde Tierarzt vermutet, dass hier Restgewebe der Nebenhoden im Pferdekörper vorhanden ist, welches beim Legen nicht vollständig entfernt wurde. Da die Chancen auf eine erfolgreiche Operation und damit die Entfernung des Gewebes aber sehr niedrig sind, wird von einer Operation abgesehen. Um ihn in seiner Sozialisierung zu unterstützen und den Stresspegel weiter zu senken, wird an einer Studie zu einer chemischen Kastrierung teilgenommen. Hier wird dem Pferd ein Serum injiziert, welches ihn unfruchtbar machen soll. Handeln tut es sich bei diesem Serum um ein Kastrationsmittel für Schweine, welches nach wie vor in Österreich nicht zugelassen ist. Als Nebenwirkung zeigte sich ein steifer Hals, für ca. drei Tage nach der jeweiligen Injektion. Zwei Grundimmunisierungen und folglich ein Mal Jährlich zu injizieren. Bis auf den steifen Hals, stellten sich keine Nebenwirkungen ein, allerdings wurde er wirklich gelassener und zeigte Hengstverhalten seltener. Nach zwei Jahren wurde die Injektion nicht mehr wiederholt. Zwar wird nun wieder vermehrt Imponiergehabe gezeigt, allerdings bleiben Angriffe auf andere Pferde gänzlich aus. Dazu ist zu sagen, dass nach wie vor darauf geachtet wird, dass kein direkter Kontakt mit Stuten stattfindet, da ich denke, dass Shadow damit wohl nach wie vor überfordert wäre. Das gemeinsame Reiten allerdings, stellt mit keinem anderen Pferd mehr Probleme dar. Auffallend nach der chemischen Kastration war, dass Shadows Haarkleid sich tatsächlich veränderte. So verschwand der Behang an der Fessel fast komplett, die Mähne wurde dünner, das Fell weniger glänzend, was sich heute, ohne chemische Kastration wieder umgestellt hat.
Ein weiteres Mitglied der Ponyherde sollte gefunden werden, als die Information kam, dass der Minipony-Hengst umziehen sollte. Als fließenden Übergang also, musste ein neuer Offenstall-Gefährte gefunden werden, um Shadow keinem Trennungsschmerz auszusetzen. Der Haflinger kam als Gefährte nicht in Frage, da dieser vermutlich mit Shadow als „Dauerpartner“ überfordert wäre. Der Haflinger war an seine Box und den dortigen Nachbarn gewöhnt und sollte die Möglichkeit nicht verlieren, alleine Fressen zu können und war dieser ja auf seine Spezialdiät angewiesen. Zufällig wurde gerade zu dieser Zeit ein Pony-Fohlen zum Stall gebracht, welches zum Schlachter weiter gereicht werden sollte. Erstens wieder eine gute Gelegenheit für Shadow, vom Spieltrieb des Fohlens und dessen Sozialverhalten zu profitieren, zweitens eine gute Gelegenheit für sowohl das Fohlen, als auch das Minipony, einen geeigneten gleichhohen Artgenossen zu haben und war ein viertes Herdenmitglied war auch eine schöne Sache. Außerdem war das Tier klein genug, um als Dritter in den Offenstall zu ziehen.
Hier das 6 Monate alte Hengstfohlen Spencer.
Die beiden waren sich von Anfang an sympathisch und der Kleine schließt sich Shadow gerne an.
Ich selbst war beim ersten Zusammentreffen nicht dabei, glücklicher Weise aber wurde es auf Video festgehalten:
Im Video zu sehen, ein weiteres Pony, welches dem Fohlen von früher bekannt war und ihm so die Trennung von der Mutter erleichtern sollte (dieses Pony war Shadow bereits bekannt).
Spencer ist mittlerweile fast drei Jahre alt und ergänzen sich Shadow und er sehr gut. Bis vor etwa 1,5 Jahren das Minipony Kaiser Franz Josef noch in der Gruppe, dieser jedoch wurde mehr und mehr verdrängt.
Seit einiger Zeit kann man Shadow auch beim Fellchenkraulen beobachten, allerdings zeigt sich dieses als sehr unkoordiniertes Beißen und lassen die anderen Pferde schon nach kurzer Zeit wieder davon ab, weil es ihnen scheinbar unangenehm ist. Sein Spielverhalten ist nach wie vor stark ausgeprägt und dominiert er über die anderen, ist dabei aber sehr fair.
Grundsätzlich ist er sehr mutig, angstauslösende Faktoren kaum anzutreffen.
Shadow und der Mensch
Auch hier muss ich wieder weit zurück greifen. Anfangs zeigt er dem Menschen gegenüber vermehrt Aggressionen und Abwehrverhalten. Dies zeigt sich in Form von gezielten Tritten und Drohgebärden. Auch das gestriegelt zu werden ist ihm unangenehm.
Das Reiten betreffend, ist er sehr auf andere Pferde fixiert und startet (für uns) aus dem Nichts mit gefletschten Zähnen mitsamt Reiter auf andere Pferde los. Er steigt und buckelt, sobald andere Pferde in seine Nähe kommen, beim Ausreiten ist es unmöglich, ihn hinter einem anderen Pferd zu reiten. Das geht sogar so weit, dass er in nahende Autos galoppiert, um wieder seine Position zu erreichen.
Hier ist einzuwerfen, dass er der Grund ist, warum ich mich heute vermehrt mit dem Pferd als Tier selbst beschäftige und mein Wissen gerne mit anderen Pferdemenschen teile, weil das Grundproblem meist am fehlenden Verständnis des Menschen für das Pferd liegt.
Es wird also vermehrt am Vertrauen zueinander gearbeitet. Dies in Form von langen Spaziergängen, vorsichtigem aber ausgiebigem, ruhigen Striegeln und dem oftmaligen Beisein auf der Weide. Auch Bodenarbeit wirkt hier förderlich. Insgesamt wird mit viel Geduld und Ruhe langsam ein gemeinsamer Weg erarbeitet.
An grundsätzlichen Dingen, wie dem ruhigen Stehenbleiben beim Beine waschen, wird viel korrigiert und gelobt. In den Jahren haben viele „Methoden“ unseren Weg gekreuzt. Angefangen beim Join Up von Roberts, über Einheiten von Parelli, Zirkuslektionen zum heutigen Clickertraining. Auch hier habe ich viel beobachtet und vermeide Dinge, die lustlos oder gar mit Abwehr von Shadow durchgeführt werden. Unseren Weg haben wir darin gefunden, Sachen zu machen, die uns beiden sichtlich Spaß machen und Frustrationen gut möglichst ausschließen. Hier ist vom Clickertraining gerade beim Menschen positiv zu erwähnen, dass dieser in seiner Inkonsequenz eingeschränkt wird und dazu erzogen wird, gezielt zu loben und zu bestärken. Die Monty Roberts Methoden sind hier komplett abzulehnen, weil sie zwar in der Wildpferdezähmung sinnvoll erscheinen, jedoch absolut kontraproduktiv auf das Vertrauensverhältnis zwischen vertrauten Mensch-Pferd Paaren wirken. Parelli hat einige, schön in die Arbeit einzubauende, Lektionen, allerdings fehlt mir hierbei die positive Bestärkung und die Freude an der Arbeit (wie sie korrekt ausgeführt wird) aus der Sicht des Pferdes.
So direkt über Fehlverhalten zu sprechen, wäre hier unangebracht. Eine Pferd-Mensch Bindung benötigt Zeit, viel Verständnis auf beiden Seiten und das Hinterfragen des WARUMS. Fehlverhalten in dem Sinn, zeigt Shadow keines, bis auf seine fehlende Sozialisierung. Manche Defizite wird er hier wohl nicht mehr aufholen, aber wirkt er heute sehr zufrieden mit seiner Situation und hat er seinem Menschen enorm viel beigebracht.
Heute verstehen wir uns meistens und verstehen es auch, uns korrekt mitzuteilen. Er kommt freudig zu mir, wenn ich ankomme. Steckt freiwillig den Kopf ins Halfter, wenn ich es ihm vor die Nase halte. Hat keine Scheu, seinen Bedürfnissen ala Wälzen oder Wasser lassen nachzukommen, wenn er mit mir auf einem Spaziergang ist. Er findet sogar Lösungswege, um an das zu kommen, was er gerade durchsetzen möchte. So legt er sich einfach in die Wiese zum Grasen, wenn ich gerade der Meinung bin, er darf in dem Moment nicht fressen.
Zum Abschluss ein paar Bildchen von uns allen 🙂
Allerliebste Grüße!
Tash
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